Eine typische Fragestellung vieler Führungswechsel ist die Gestaltung der Interimssituation. Der oder die „Neue“ ist schon da, der „Vorgänger“ bleibt aber noch für eine längere Zeit auf seiner Position. Die Idee dahinter ist meist, den Übergang so optimal wie möglich zu gestalten.

Der Vorteil einer solchen Übergangszeit von Vorgänger und Nachfolger ist zweifellos die Möglichkeit, viel Erfahrungswissen weiterzugeben. Die neue Führungskraft hat außerdem die Zeit, Mitarbeiter, Kollegen und Kunden in Ruhe kennenzulernen, ohne schon operativ gefordert zu sein. Diese Phase lässt Raum, in Gesprächen mit Mitarbeitern und Vorgesetzten eine realistische Zielperspektive zu entwickeln.

Die Nachteile einer Interimssituation sind nicht zu unterschätzen. Das beginnt zunächst einmal damit, dass ein Vorgänger, der noch im Amt ist, den Start des Neuen immer erschwert. Die Aussage „der Neue wird sich in den nächsten Monaten einarbeiten und das Geschäft kennenlernen“ verhindert zunächst einen klaren Start. Das führt zu Unsicherheit. Die neue Führungskraft ist zwar schon überall dabei, aber die Mitarbeiter wissen nicht, wann es denn nun genau los geht. Sie tun sich auch erfahrungsgemäß schwer, sich auf die neue Führungskraft auszurichten solange der Vorgänger noch im Amt ist.

Diese Übergangssituationen sind aber vor allem eine Herausforderung für die Nachfolger und ihren Start.  Wieviel Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten des Vorgängers braucht es, um die Unterstützung der Mitarbeiter nicht zu gefährden. Denn langjährige Mitarbeiter reagieren in solchen Situationen empfindlich auf leichtfertige Signale, der Kränkung oder Abwertung ihres bisherigen Chefs. Dafür reicht manchmal schon allzu forsches Fragen nach bisherigen Vorgehensweisen und Praktiken.

Ich werde oft gefragt, wie lange eine solche Übergangszeit dauern sollte. Nach meiner Erfahrung braucht alles, was länger als 3 Monate dauert, einen eigenen Plan, in dem nicht nur die fachlichen Themen der Wissensvermittlung, sondern die der Positionierung des Nachfolgers im Mittelpunkt stehen.

Was ist unbedingt zu beachten?

  1. Führungswechsel brauchen einen klaren Start.
    Diese Klarheit braucht es nicht nur für die Orientierung der Mitarbeiter, sondern auch für die immer stattfindende „Zeitrechnung“.  Mitarbeiter, Vorgesetzte und Kunden wollen wissen, wann die berühmten 100 Tage vorbei sind und wann sie noch realistisch mit Veränderungen rechnen müssen.
    Klarer Start heißt aber mehr als die Verkündung eines Termins. Es braucht eine offizielle Antrittsrede, Klarheit in den disziplinarischen Verantwortungen und symbolische Botschaften wie z.B. der Bezug der Räume oder Gremienmitgliedschaften, die die Verantwortung der Neuen unterstreichen.
  1. Hält man eine längere Interimsphase (> 3 Monate) für sinnvoll oder notwendig, brauchen neue Führungskräfte eine eigene Rolle. Man kann nur schwer für längere Zeit „Beobachten“ und Fragen stellen. Um Doppelführung zu vermeiden, empfiehlt sich deshalb, die Suche nach einem zwar umgrenzten, aber vollumfänglichen Aufgabengebiet.
    Das ist üblicherweise ein strategisches Projekt oder ein gezielter Auslandsaufenthalt. Das darf kein Alibiprojekt sein, es darf die Reputation des Nachfolgers nicht beschädigen. Dabei ist klar, dass eine solche Konstruktion trotzdem zu einer zusätzlichen Bewährungsprobe für den Nachfolger führt.
  1. Vorgänger brauchen immer einen Abschied.
    Die Unternehmensleitung muss dafür Sorge tragen, dass die bisherige Führungskraft offiziell und angemessen verabschiedet wird. Das gilt für alle, aber insbesondere für langjährige, von den Mitarbeitern geschätzte Vorgesetzte, da ansonsten die emotionale Bindung an den Vorgänger eher verstärkt wird.
    Ein angemessener Abschied ist unverzichtbar, für einen erfolgreichen Wechsel und von großer Bedeutung in das Unternehmen.

Interimssituationen, also jene Situation, in der sich die Verantwortungen des Vorgängers und des Nachfolgers überlappen, zeigen in besonderer Weise die psychologische Ebene eines Führungswechsels. Hier spielen die Emotionen und Gefühle aller Beteiligten eine besondere Rolle. Häufig werden hier die Weichen für einen Erfolg des „neuen“ Chefs gestellt.