In meiner beruflichen Praxis habe ich viele Führungswechsel begleitet: den Seiteneinstieg in ein Großunternehmen, den Aufstieg aus den eigenen Reihen, den Wechsel in eine angespannte Unternehmenssituation oder die Unternehmensnachfolge in einem Familienunternehmen. All dies erfordert unterschiedliche Herangehensweisen, sowohl in fachlicher, psychologischer und persönlicher Hinsicht.
Es gibt aber auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die es wert sind, einmal gesondert betrachtet zu werden.
- Die wirklichen Herausforderungen eines Führungswechsels liegen meist im Verborgenen
Vorgesetzte, die einen Nachfolger für eine Unternehmenseinheit suchen, schildern im Vorstellungsgespräch meist die Anforderungen der neuen Führungssituation. Sie beschreiben das Image des Vorgängers, die anstehenden Veränderungen oder die Stimmungslage bei den Mitarbeitern. Auch die Mitarbeiter beschreiben in den ersten Gesprächen bereitwillig, was sie von dem Neuen erwarten. „Wir müssen uns als erstes um die Logistik kümmern“ oder „wir haben zu viel Fluktuation und wir verlieren damit zu viel Know-How“ sind typische Themen, die zu Beginn genannt werden. Führt der Neue dann noch Gespräche mit Kollegen aus anderen Abteilungen oder gar Kunden, wird das Bild immer bunter.
Entscheidend ist aber, worüber nicht gesprochen wird. Das gibt oft viel mehr Aufschluss über die „wirklichen“ Themen? So spricht man z.B. häufig ungern über Konflikte zwischen Abteilungen, die dringend zusammenarbeiten müssten. Auch die informellen Entscheidungsstrukturen und Absprachen werden selten zu Beginn benannt. Geht es dann um grundlegende Spielregeln der Kultur des Unternehmens, wie z.B. „du musst dich hier immer gut absichern“, dann fehlen oft die Worte.
Aktive Gestaltung von Führungswechseln heißt deshalb zunächst einmal, das sorgfältige und umfangreiche Erkunden der sichtbaren und unsichtbaren Themen, die eine Organisation prägen. So ist allein die Frage nach dem Alter eines angebotenen Themas oft ein „Eye-Opener“.
- Entscheidend für einen erfolgreichen Wechsel ist die Haltung des Wechslers
Ein erfolgreicher Führungswechsler fragt. Er erkundet, ist offen für positive und negative Informationen und versucht, sich so ein Bild zu machen. Idealerweise gleicht er dies auch immer wieder in Gesprächen vorsichtig ab, um sich so einer möglichst tragfähigen Beschreibung zu nähern. Das ist leider leichter gesagt als getan.
Was gerne unterschätzt wird, ist die Tatsache, dass man sich in der neuen Umgebung fremd fühlt und Orientierung sucht. Auch die Schwierigkeit, dass gerade zu Beginn nicht ersichtlich ist, auf wen man sich verlassen kann und auf wen nicht, führt zu „Verunsicherung“.
Je nachdem, wie wir gelernt haben mit solchen Situationen umzugehen, suchen wir entweder die vermeintliche Sicherheit in der Fokussierung auf bekannte Themen („Das war schon immer so...“ oder „Das kenne ich von meiner vorherigen Station...“). oder es gelingt mir, die eigene Unsicherheit zuzulassen und offen zu bleiben für das Neue. Ich habe viele Führungskräfte gesehen, die mir in einer solchen Situation immer wieder beschrieben haben, wie sehr die neue Umgebung doch ihrer „alten ähnelt“. Sie fokussieren nicht oder nur unzureichend auf das Neue oder das „Fremde“, um sich nicht zusätzlich zu verunsichern. Das führt nicht nur zu einer einseitigen Realitätswahrnehmung, sondern vor allem auch zu einem Affront gegenüber den neuen Mitarbeitern. Sie schätzen es erfahrungsgemäß nicht, wenn sie oder ihre Umgebung als „schon bekannt“ wahrgenommen werden.
Dieser Umgang mit der Unsicherheit, die in jedem Wechsel steckt, ist eines der Erfolgskriterien für die erfolgreiche Gestaltung eines Übergangs. Amado & Elsner nennen das „contextual empathy“ und meinen damit eine möglichst offene und wertfreie Betrachtung der neuen Umgebung.
- Ein Führungswechsel ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf
Ob man einen Übergang erfolgreich gestaltet hat oder nicht, weiß man erst nach einem halben Jahr. Nach meiner Erfahrung fühlen sich viele Wechsler zu schnell zu sicher. Dabei braucht das „System“ zunächst einmal Zeit, um sich mit dem Neuen, seinen Ideen und seinen Veränderungen auseinanderzusetzen. Sobald erste Maßnahmen greifen, wie z.B. die Neubesetzung von Schlüsselpositionen oder der Neustart von Dauerthemen, entscheidet sich, ob der Wechsel gelingt. Wenn der Neue bis zu diesem Zeitpunkt über die nötige Unterstützung verfügt und genügend „Ortskenntnis“ entwickelt hat, kann er den Wechsel als geglückt betrachten.